Nachhaltigkeit und Produkteffizienz steigern durch bestmöglichen Material-Lifecyle.
Nachhaltigkeit und Produkteffizienz steigern durch bestmöglichen Material-Lifecyle.

«Wertschöpfung» wertschätzen

Yannick Deiss
13. Juli 2020 – 7 min Lesezeit

Das Umdenken zum nachhaltigen Handeln beginnt bereits beim Design. Wer Produkte entwickelt, sollte sich ganz am Anfang mit der Frage auseinandersetzen, was nach dem Lifecycle des Produkts damit geschieht. So können beispielsweise Druckprodukte (Zeitungen, Broschüren, Flyer, etc.) nur dann vollständig rezykliert werden, wenn die Ausgangsmaterialien, also Bedruckstoff und Farbe, ohne Schadstoffe in ihre ursprünglichen «Bestandteile» aufgeteilt werden können.

 

Wir sind weder Verwertungsprofis, noch Spezialisten für Kreislaufwirtschaft. Wir interessieren uns für nachhaltige und durchdachte Konzepte – im Design, in der Kommunikation oder in der Produktentwicklung. Wer sich ernsthaft mit der Frage auseinandersetzt, wie unsere Erde für die Generationen nach uns aussehen wird, dem bieten sich heute zahlreiche Quellen, um sich vollumfänglich darüber zu informieren, was individuell zur Veränderung und Verbesserung beigetragen werden kann.

 

Effektivität statt Effizienzsteigerung

Erste Lektion an der Hochschule für Wirtschaft: Was ist der Unterschied zwischen «Effektivität» und «Effizienz»? Spätestens seit Einführung von Effizienzlabels (z.B. in der Automobilindustrie) werden wir im Alltag mit dem Thema Effizienz konfrontiert. Die Effizienz zu steigern war ein wichtiger Schritt in der Entwicklung neuer Ideen und Konzepte. Jedoch führt die Effizienzsteigerung nicht zur «integrierten Gesamtlösung», solange nicht auch über die Effektivität diskutiert wird. Ein Beispiel: Den Treibstoffverbrauch bei Personenwagen noch weiter zu minimieren bringt im gesamten Kontext nicht viel, wenn die Anzahl eingelöster Fahrzeuge stetig steigt.

 

Analysieren wir den Begriff «Ökoeffektivität», stellen wir fest, dass es darum geht, die richtigen Dinge überhaupt erst zu tun, anstatt die bestehenden Dinge möglichst richtig zu tun. Biologische Nährstoffe, die in der Produktion eingesetzt werden, sollten nach deren Verbrauch wieder zurück in den biologischen Kreislauf zurückgeführt werden (können). Ebenso sieht das Konzept vor, technische Grundstoffe (wie Kunststoffe) so aufzubereiten, dass diese kontinuierlich in einem Kreislauf gehalten werden können. Der Joghurtbecher soll also so konzipiert sein, dass dessen Rohstoffe im Rezyklierungsprozess zur Produktion eines Blumentopfs oder Wasserbehälters verwendet werden kann. Die Grundlage dazu bildet die Produktion mit sortenreinen Ressourcen, frei von schädlichen Substanzen und Zusätzen.

 

Mit dem Label «Cradle to Cradle» (Deutsch: von der Wiege zur Wiege) hat dieses Konzept der Kreislaufwirtschaft einen Namen erhalten und hat sich international als Marke etabliert. Im Web sind wir auf eine Vielzahl von Unternehmungen, Verbände und Interessengruppen gestossen, die sich seit Jahren dafür engagieren, Möglichkeiten zur Effektivitätssteigerung aufzuzeigen. Einzelne Weblinks dazu sind am Ende des Artikels aufgeführt.

 

Es ist wichtig festzuhalten, dass «Cradle to Cradle» nicht die Lösung für jede Herausforderung bietet, sondern ein gesamtheitliches Konzept darstellt, dem man als vorausschauende Unternehmung und weitsichtiges Individuum Beachtung schenken sollte.

 

Ökonomischer «Unsinn» des Rezyklierens

Viele Produkte bestehen aus einer Mischung von verschiedenen Kunststoffsorten und können deshalb nicht «als Ganzes» recycelt werden. Sortenreinheit kann nur beschränkt erreicht werden und macht den Zyklus zur Wiederverwertung ökonomisch uninteressant. Ein funktionierendes System zur Wiederverwertung würde eine Reorganisation der Sammlung, des Transports und der Verwertung voraussetzen. Dies stellt den ökonomischen Sinn – zumindest kurzfristig gedacht – leider oft in Frage.

 

Nebenschauplatz Gesundheit

Wer hat noch nie gesehen, wie ein Kleinkind ein Heft zweckentfremdet? Plötzlich landen Papierfetzen oder Kartonteile im Mund. Pizzas werden in Kartonschachteln geliefert und haben dauerhaft Kontakt mit dem Lebensmittelinhalt unter Einfluss von Wärme. Es gibt genügend ähnliche Beispiele, bei denen die Verpackung in (in)direkter Wechselwirkung mit unserem Organismus steht. Wir sprechen oft über die ökologische Nachsicht mit unserem Planeten und vergessen dabei, dass wir zusammen mit der Tierwelt diesen Planeten bewohnen und auch uns vor zu viel chemischer Belastung schützen sollten. Schadstoffe sind Schadstoffe für Mensch, Tier und Natur. Ständig sind wir in Kontakt mit Materialien, ohne zu hinterfragen, wie sich diese auf uns Lebewesen auswirken.

 

Aufklärung statt Propaganda

Uns ist es wichtig, dass man solche Konzepte wie «Cradle to Cradle» aus der Distanz bewerten kann. Die Schwierigkeiten, welche mit einer Umstellung einer Produktionsanlage und mit einer Umstellung vom Verwertungsmanagement in Verbindung stehen sind nicht zu vernachlässigen. Unser Ziel ist es, mit diesem Blogbeitrag das Bewusstsein zu fördern, dass neue Konzepte bestehen und dass Firmen, sogar ganze Länder, an diesen Konzepten festhalten und damit erfolgreich und nachhaltig wirtschaften (können).

 

Facts

  • Zwischen 1950 und 2015 wurden rund 8.3 Mrd. Tonnen Kunststoff hergestellt. Dies ergibt etwa eine Tonne pro Kopf weltweit. Die Hälfte davon stammt aus den letzten 13 Jahren. Von dieser Menge wurden etwa 6.3 Mrd. Tonnen zu Abfall, der zu 9% rezykliert, zu 12% verbrannt und zu 79% auf Müllhalden (oder irgendwo) deponiert wurde.

 

  • Zur Herstellung von einem Kilogramm PET werden etwa zwei Kilogramm Rohöl verbraucht. Dies reicht für etwa 25 1-Liter-Flaschen. Unter Berücksichtigung von Transport, Kühlung und Abfüllung beansprucht ein Liter Mineralwasser rund 0.3l Erdöl. Die Rezyklierung erfordert rund die Hälfte des Energieaufwands gegenüber der Neuproduktion.

 

  • Eine Tonne Papier nach cradle-to-cradle wiederzuverwerten spart 26'500 Liter Wasser, 17 Bäume und einige tausend Liter Öl.

 

  • Herr und Frau Schweizer sind nicht nur im Rezyklieren oben mit dabei, sondern auch im Abfall generieren. Im Jahr 2014 haben wir pro Kopf 729 kg Abfall produziert. Die Steigerung um über 20% seit 1990 konnten wir teilweise durch die optimierte Rezyklierung auffangen. Zum Vergleich: 1970 waren es noch 309 kg pro Kopf.

 

  • Wenn die Welt das Konsumentenverhalten der Schweiz adaptiert, sind dafür fast drei Planeten erforderlich. Schuld daran ist der hohe Ressourcenverbrauch.

 

Quellenverzeichnis

 

 

 

 

 

 

 

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